Das Sommerinterview 2016 der TA/TLZ Eisenach mit Michael Klostermann

„Vorgehen bei der Rosskastanie ist sicher kein Ruhmesblatt der Verwaltung“

Das Sommerinterview mit Michael Klostermann, SPD-Fraktionschef im Stadtrat Eisenach, hofft auf nachhaltigen Imagegewinn im Luther-Jahr 2017

Von Peter Rossbach, Eisenach.

 

Michael-Klostermann

Das Jahr 2017 steht bevor. Wie bewerten Sie den Stand der Vorbereitungen auf das Reformationsjubiläum und den Wandertag – baulich als auch inhaltlich? Ich denke, dass wir uns insgesamt auf einem guten Weg befinden. Daran haben nicht nur die jetzige Stadtspitze und der aktuelle Stadtrat ihren Anteil. Wichtige Grundlagen wurden auch bereits durch den ehemaligen Oberbürgermeister Matthias Doht und den damaligen Stadtrat gelegt. Einziger Wermutstropfen bleibt, dass während des Reformationsjubiläums eine Großbaustelle rund um den Hauptbahnhof nicht mehr zu verhindern sein wird. Dies beeinträchtigt natürlich das Stadtbild für die Gäste unserer Stadt nicht unwesentlich.

Welche Effekte erhoffen Sie sich von diesem Jahr 2017 für Eisenach? Neben den zahlreichen Bauprojekten, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Reformationsjubiläum stehen und daher einen hohen Fördermittelabfluss in die Wartburgstadt begünstigt haben, verbinde ich mit dem Reformationsjubiläum die Hoffnung, dass die Stadt Eisenach einen nachhaltigen Imagegewinn erzielt, mit den entsprechenden Begleiteffekten für den Tourismus, das Hotel- und Gaststättengewerbe und den Einzelhandel . Das wird aber maßgeblich davon abhängen, dass wir uns während des Jubiläums als exzellente Gastgeber präsentieren.

Wieder ist ein Jahr vergangen. Zeit auch für den Stadtrat den Blick auf zwölf Monate intensive Arbeit zu richten. Wie sieht die Bilanz der Ratsarbeit aus Ihrer Sicht aus? Ich denke, dass wir in den vergangenen zwölf Monaten wieder wichtige Grundsteine für die positive Entwicklung der Stadt Eisenach gelegt haben. Daran hat die Landesregierung durch die Gewährung großzügiger Finanzhilfen und Fördermittel einen wesentlichen Anteil. Das Haushaltssicherungskonzept wurde fortgeschrieben, ausgewogene Haushaltsentwürfe beschlossen, wichtige Bauprojekte auf den Weg gebracht. Das Klima im Stadtrat nehme ich weiterhin als insgesamt konstruktiv und sachorientiert wahr.

Aktuelles Thema ist die Sanierung der Stützmauer am Nikolaitor samt der möglichen Fällung der Rosskastanie. Wie stehen Sie dazu? Sofern die Fällung der Rosskastanie nicht zwingend für den Erhalt des Mauerwerks der Nikolaikirche und der vorgelagerten Stützmauer sein sollte, sollte auf deren Fällung unbedingt verzichtet werden. Nicht nur, weil die Rosskastanie seit langer Zeit prägend für das Stadtbild und das Ensemble am Nikolaitor ist. Wir sind es auch den zahlreichen protestierenden Bürgerinnen und Bürgern und Umweltaktivisten schuldig. Das Vorgehen der Stadtverwaltung in dieser Angelegenheit war – diplomatisch formuliert – bisher sicherlich kein Ruhmesblatt.

Und dann natürlich die neue Handballhalle. Es gibt eine Prioritätenliste der Stadt für einen möglichen Standort. Was wäre ihr bevorzugter Standort, Welchen Standort würden sie ausschließen? Wie Sie wissen, hatte ich einen alternativen Standort in unmittelbarer Nähe der A4 und der B84 ins Gespräch gebracht, um die beiden Handball-Bauprojekte in Eisenach und Bad Langensalza miteinander zu verbinden und auch im sportlichen Bereich Synergieeffekte zu nutzen. Unter den drei nun zur Auswahl stehenden Standorten halte ich das Areal in der Thälmannstraße für das geeignetste. Der Standort Spicke scheidet aus meiner Sicht aus. Der Neubau einer Handballhalle mit entsprechenden Parkkapazitäten würde insbesondere die Durchführung des Sommergewinns entscheidend beeinträchtigen, da für den Rummel keine vergleichbaren Nutzungsflächen in Innenstadtnähe zur Verfügung stehen. Den Standort Heinrich-Erhardt-Platz halte ich nicht für realisierbar, da der Privateigentümer des Areals sicherlich einen maximalen Verkaufserlös anstreben wird, was von vorne herein zu erwarten war.

Und die Kosten? Das Land will bis zu neun Millionen Euro für den Neubau bereitstellen, der ThSV 600 000 Euro und die Stadt hat jetzt einmal 1,3 Millionen Euro eingeplant. Was passiert, wenn das nicht reicht? Ob die Stadt 1,3 Millionen Euro zur Verfügung stellen kann und wird, hängt maßgeblich von der Entscheidung des Landesverwaltungsamtes und des Innenministeriums über die Genehmigung des städtischen Haushaltsentwurfes 2016 und die Höhe der Bedarfszuweisung ab.

Was ist die Alternative? Sofern der Neubau mehr als die veranschlagten neun Millionen Euro kosten sollte, bleibt nur die Möglichkeit, das Projekt über die Städtische Wohnungsgesellschaft zu realisieren. Ich gehe nicht davon aus, dass der Freistaat die zugesagten Fördermittel noch einmal aufstocken wird. Die finanzielle Leistungsgrenze des ThSV ist mit 600 000 Euro ebenfalls ausgeschöpft. Die Stadt müsste in diesem Fall langfristig einen marktüblichen Mietzins für die Anmietung der Handballhalle gegenüber der SWG aufbringen, könnte diesen aber über die jährlichen Ausschüttungen der SWG an den städtischen Haushalt zumindest teilweise wieder abschöpfen.

Und weiter mit den Finanzen. Der Haushalt ist beschlossen mit einer großen Bedarfszuweisung vom Land, rund neun Millionen Euro. Wie bewerten Sie das Prozedere, mit dem die Etatdebatte geführt wurde? Es ist zu begrüßen, dass die Haushaltseinbringung und der Haushaltsbeschluss deutlich frühzeitiger als im vergangenen Jahr erfolgt sind. Das hatte nicht zuletzt auch mit der stringenten Beratung in den jeweiligen Ausschüssen, den umfangreichen Auskünften und Zuarbeiten vonseiten der Stadtverwaltung und der Disziplin der Stadtratskolleginnen und -kollegen zu tun. Insofern wurde die Etatdebatte in den beratenden Gremien effektiv und gründlich geführt.

Welche Chancen rechnen Sie der Stadt aus, diesen Haushalt vom Landesverwaltungsamt auch so bewilligt zu bekommen? Ich rechne damit, dass das Landesverwaltungsamt den Haushaltsentwurf unter Auflagen genehmigen, aber die Bedarfszuweisung nicht in der Höhe wie eingeplant ausfallen wird.

Wo sehen Sie Möglichkeiten zum Streichen, wenn die Mittel aus dem Topf der Bedarfszuweisungen nicht so hoch ausfallen, wie es erwartet wird? Sofern dieser Fall eintritt, sollten wir noch einmal die Unaufschiebbarkeit einzelner Investitionen und die veranschlagten Personalkosten überprüfen. Grundsätzlich könnte auch die städtische Investitionssumme für den Hallenneubau über mehrere Jahre haushälterisch veranschlagt und damit für das Jahr 2016 reduziert werden. Wichtig wird vor allem anderen sein, wie sich die städtischen Steuereinnahmen entwickeln und welche Einsparungen durch die vorläufige Haushaltsführung bis dato erzielt werden konnten.

Hin zur Kultur. Die Überlegung, die Oesterlein-Sammlung und die Pohl-Sammlung als Wagner-Sammlung aus dem Reuter-Wagner-Museum heraus in die Kreuzkirche zu verlagern, hinein in eine nicht nur der Öffentlichkeit bislang unbekannten Stiftung sorgt derzeit für Unruhe. Wie stehen Sie dazu? Eine solche Entscheidung sollte zwingend in das Museumskonzept eingebettet werden. Es bleibt also abzuwarten, welche Vorstellungen die Stadtverwaltung insgesamt für die zukünftige Gestaltung der städtischen Museumslandschaft präsentieren wird.

Goldschmiedenstraße, Busbereitstellungsplatz, Hinter der Mauer und Esplanade sind gerade fertig. Und doch wird gefühlt an jeder Ecke der Stadt gebaut. Busbahnhof, schnelles Internet, Lutherplatz, Parkplätze im Mariental, Gehwege an der Wartburgallee, Toiletten in der Grimmelsgasse, Wohnmobil-Stellplätze an der Karl-Marx-Straße und irgendwann auch am Tor zur Stadt. Ärgernis oder Notwendigkeit oder Grund zur Freude? Stadtentwicklung und Bauprojekte sind natürlich immer mit Einschränkungen und zeitweisen Belastungen verbunden. Dennoch sollten wir alle froh darüber sein, dass sich etwas in der Stadt bewegt und sich das Stadtbild positiv verändert, die Attraktivität und Lebensqualität der Stadt spürbar verbessert wird.

Die neuen Strukturen für Landeskapelle und Landestheater sind festgezurrt. Der Stadtrat hat sich mit breiter Mehrheit dazu bekannt. Was sind die positiven Aspekte, wo sehen Sie noch Risiken? Durch die vorgesehene Strukturreform für das Landestheater und das Orchester wird eine langfristige Planungssicherheit erreicht, was gerade im Sinne der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landestheaters und der Orchestermusiker nur begrüßt werden kann. Positiv ist auch die Entscheidung der Landesregierung zu bewerten, sich noch stärker als bisher am Erhalt des Kulturstandortes Eisenach finanziell zu beteiligen.

Wie stehen Sie dazu, dass der Kreistag mit knapper Mehrheit die Zustimmung zu den Theaterverträgen mit der Gebietsreform verknüpft? Dass ich die knappe Mehrheitsentscheidung des Kreistages im Wartburgkreis, die nur durch die Stimme des Landrates Krebs zustande kam, scharf kritisiert habe und als töricht betrachte, dürfte allseits bekannt sein. Zumal sich das finanzielle Engagement des solventen Wartburgkreises im Vergleich zum Freistaat und zur Stadt Eisenach in überschaubaren Grenzen hält. Schon deshalb war dieses politische Ränkespiel von Krebs, Hirte und der CDU im Wartburgkreis auf dem Rücken der Kulturschaffenden mehr als fragwürdig.

Wo sehen Sie die Prioritäten für Investitionen in den kommenden Monaten und Jahren in Eisenach? Natürlich müssen wir vorrangig die Voraussetzungen für optimale Rahmenbedingungen in den städtischen Schulen und Kindertagesstätten schaffen. Dies beinhaltet nicht nur den Brandschutz. Ich denke diesbezüglich beispielsweise an die weitere Entwicklung der Thüringer Gemeinschaftsschule in der Altstadtstraße, das Ernst-Abbe-Gymnasium und das Elisabeth-Gymnasium. Soweit möglich, sollten auch wichtige Brückensanierungen voran gebracht werden. Hier denke ich vor allem an die Brücke in der August-Bebel-Straße und in der Friedrich-Naumann-Straße. Dies steht auch im unmittelbaren Zusammenhang mit der Umsetzung des ambitionierten Hochwasserschutzkonzeptes. Und natürlich dürfen wir die Eisenacher Ortsteile nicht vergessen.

Mit welchen Anträgen und Vorschlägen wird Ihre Fraktion in den kommenden Monaten die Entwicklung der Stadt zu befördern suchen? Die SPD-Stadtratsfraktion wird sich in den nächsten Monaten dafür einsetzen, gemeinsam mit dem Ortsteilbürgermeister und dem Ortsteilrat ein tragfähiges Konzept für ein Dorfgemeinschaftshaus im Ortsteil Stedtfeld zu erarbeiten, um den durch unsere Fraktion eingebrachten Antrag endlich in die Realität umzusetzen und den Ortsteil weiter aufzuwerten.