Ausstellung zu 150 Jahre deutsche Sozialdemokratie

Ausstellung zu 150 Jahre deutsche Sozialdemokratie
SPD-Bundestagskandidat Michael Klostermann begrüßte Prof. Dr. Peter Brandt

Kürzlich feierte die SPD als älteste und größte deutsche Volkspartei ihren 150. Geburtstag. Die Frühgeschichte der Sozialdemokratie ist eng mit Eisenach und Thüringen verbunden. Michael Klostermann, SPD-Bundestagskandidat begrüßte im Namen der Eisenacher August-Bebel-Gesellschaft zur Eröffnung einer dem Jubiläum gewidmeten Sonderausstellung in der traditionsreichen Gedenkstätte „Goldener Löwe“ den renommierten Historiker Prof. Dr. Peter Brandt, Sohn des langjährigen SPD-Vorsitzenden, ehemaligen Bundeskanzlers, Regierenden Bürgermeisters von Westberlin und Friedensnobelpreisträgers Willi Brandt.Peter Brandt, K. Richardt, M. Klostermann
„Die SPD blickt auf Höhen und Tiefen, auf Sternstunden und bittere Momente zurück“, erklärte Michael Klostermann in seiner Eröffnungsansprache und erinnerte daran, dass die Anfänge eng mit Mitteldeutschland und Thüringen verbunden waren. Die SPD habe ihre Wurzeln in Leipzig, Eisenach, Gotha, Halle und Erfurt. Im August 1869 gründete sich in Eisenach, im „Goldenen Löwen“, unter Führung von August Bebel die Sozialdemokratische Arbeiterpartei. „Hier in Eisenach wurde seinerzeit ein für damalige Verhältnisse fortschrittliches und wegweisendes Programm verabschiedet. Man forderte beispielsweise die gleichberechtigte politische Partizipation, das direkte und geheime Wahlrecht, allerdings nur für Männer ab dem 20. Lebensjahr. Standesprivilegien sollten abgeschafft und die direkte Gesetzgebung durch das Volk ermöglicht werden. Darüber hinaus setzten sich die Eisenacher damals für obligatorischen und unentgeltlichen Unterricht in öffentlichen Bildungsstätten ein“, erinnerte Michael Klostermann. In seinem kurzen geschichtlichen Exkurs betonte der junge SPD-Bundestagskandidat, „wie Bebel und Liebknecht die Galionsfiguren der Sozialdemokratie im 19. Jahrhundert waren und exemplarisch für deren Entwicklung standen, so trifft dies gleichermaßen auf Willy Brandt im 20. Jahrhundert zu. Kaum eine Person hat die SPD im 20. Jahrhundert so geprägt und ihr ein prominentes Gesicht verliehen“. Umso erfreuter waren Michael Klostermann und die Gäste, mit Prof. Dr. Peter Brandt den ältesten Sohn von Willy Brandt begrüßen zu dürfen. 100_1188

Jüngere SPD-Geschichte lebte auf
Dieser beleuchtete in seinem Vortrag verschiedene Epochen der Geschichte der deutschen Sozialdemokratie Er ging auch auf die Geschichte der SPD in den 60er bis 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts ein: „Schon die Zeitgenossen nahmen wahr, dass der von der neuen Deutschland- und Ostpolitik, den inneren Reformanstrengungen und einer Art Reformeuphorie geprägten Ära Brandt eine von betontem Realismus in der Innen- und Außenpolitik angesichts wieder ungünstigerer äußerer Bedingungen getragene Ära Schmidt folgte. Gewiss unterschieden sich die beiden Kanzler in ihrer Persönlichkeit, ihrem Habitus, ihrem Führungsstil und den von ihnen gesetzten inhaltlich politischen Akzenten, doch passten sie eben zugleich recht gut in ihre jeweilige Regierungszeit: Auf die Jahre des Aufbruchs in der Schlussphase des fordistischen Konsumkapitalismus, der Blütezeit des regulierten Rheinischen Modells mit historisch einmaligem Wohlstandszuwachs auch für die unteren zwei Drittel der Bevölkerung, mit Bildungsexpansion und entsprechenden Aufstiegschancen für die sozialdemokratische Klientel gerade in den späten 60er und frühen 70er Jahren, folgten die vom weltwirtschaftlichen Einbruch der mittleren 70er Jahre, der erneuten Verschärfung der Ost-West-Spannungen und dann der um 1980 von den angelsächsischen Ländern aus massiv vorangetriebenen neoliberalen Wende in Gestalt des Finanzmarktkapitalismus gekennzeichneten Jahre der Ära Schmidt.
Dass die betriebliche Mitbestimmung, ein Kernziel der SPD wie der DGB-Gewerkschaften, in den 70er Jahren nicht entscheidend vorankam – ein mühsam gefundener Kompromiss mit der FDP 1975/76 blieb unterhalb der für Sozialdemokraten wie Gewerkschafter unverzichtbaren Parität – lag übrigens keineswegs am mangelnder Einsatz von Helmut Schmidt; entscheidend waren Koalitionszwänge und generell die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse.
Helmut Schmidt konnte als Weltökonom und mit seiner relativ erfolgreichen innerdeutschen Wirtschaftspolitik zwar nicht den Gesamttrend brechen, aber eine katastrophische Verschärfung der Krisenerscheinungen maßgeblich mit verhindern helfen und so die sozialliberale Koalition erneut konsolidieren. Das macht die Frage nicht illegitim, ob es damals eine – sozialdemokratische – Alternative zu dem von ihm durchgesetzten Kurs gab.100_1193
Eine entsprechende Frage lässt sich für die Sicherheitspolitik stellen: Gewiss war Helmut Schmidts nüchterne Analyse der Destabilisierung des prekären militärischen Gleichgewichts in Europa durch die Modernisierung der sowjetischen atomaren Mittelstreckenraketen rein gefühls- und gesinnungspazifistischen Widerständen, auch in der SPD, überlegen. Doch war die angedrohte und schließlich vollzogene sog. Nachrüstung durch die Marschallflugkörper und die Pershing 2 (Letztere allein in Westdeutschland aufgestellt), Waffen, die direkt sowjetisches Territorium erreichen konnten, aus der Perspektive der Stabilisierung des Entspannungsprozesses, ferner aus der Interessenlage Deutschlands wie der deutschen Sozialdemokratie wirklich die einzig mögliche und überhaupt eine akzeptable Antwort? Helmut Schmidt und die SPD mit ihm wollten die Supermächte an den Verhandlungstisch bringen. Doch wenn diese nicht ernsthaft zu einer Übereinkunft kommen wollten, hatte die Bundesrepublik keinen Einfluss darauf. Man darf sich den Blick dadurch nicht trüben lassen, dass es am Ende gut ausging. Wir haben vielmehr alle großes Glück gehabt, und die Argumente Erhard Epplers gegen die Stationierung waren mindestens so rational wie die von Helmut Schmidt dafür.“
Michael Klostermann betonte, die Geschichte der SPD lehre, dass manche Errungenschaft verteidigt werden müsse. „Insofern bleibt der Auftrag der SPD, für Freiheit, soziale Gerechtigkeit und Solidarität zu streiten weiterhin aktuell und ihre Rolle unverzichtbar.“

Die Ausstellung „150 Jahre deutsche Sozialdemokratie – Für Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität“ ist noch bis einschließlich 09.07.2013 in der Gedenkstätte „Goldener Löwe“ in Eisenach, Marienstraße 57 Montag bis Freitag von 10.00 bis 16.00 Uhr sowie nach Voranmeldung (Tel. 03691/882723) zu sehen.

Th. Levknecht 05.07.2013