Ehrliche Politik ohne Scheinkandidaturen

Der thüringische Landesverband von „Mehr Demokratie e.V.“ hat sich auf seiner diesjährigen Landesmitgliederversammlung mit einem Beschluss gegen Scheinkandidaturen ausgesprochen. Ich schließe mich dem, gemeinsam mit meinen Kolleg/innen von der Eisenacher SPD, mit allen Konsequenzen an.

Von einer Scheinkandidatur spricht man, wenn eine Person auf einer Liste steht, bei der bereits vor der Wahl feststeht, dass sie das Mandat nicht annehmen wird. Bei der anstehenden Kommunalwahl betrifft dies vor allem Landräte und Oberbürgermeister. Bei der letzten Wahl zum Stadtrat hat die Eisenacher Oberbürgermeisterin die Liste der Linken angeführt und aufgrund ihrer großen Bekanntheit so viele Stimmen bekommen, dass für andere Personen auf der Liste knapp über 100 Stimmen ausgereicht haben, um in den Stadtrat einzuziehen. Bewerber/innen anderer Parteien oder Gruppierungen konnten mit der gleichen Stimmenzahl nicht mal auf einen Nachrückerplatz hoffen.

Das ist für die Partei, die davon profitiert, natürlich verführerisch, aber ehrlich wäre es nur dann, wenn die Oberbürgermeisterin ihr Mandat nach der Wahl auch annehmen würde. Dafür müsste sie aber ihr Amt niederlegen und als normales Mitglied im Stadtrat sitzen. 

Nun will ich nicht verschweigen, dass auch die Eisenacher SPD diesen „Trick“ in der Vergangenheit ausgenutzt hat, und auch aktuell gibt es sozialdemokratische Amtsinhaber, die eine Scheinkandidatur praktizieren. Zudem bekomme ich häufig zu hören: Unsere Partei braucht so viele Stimmen wie irgend möglich, damit wir gute Politik machen können. Dem stimme ich natürlich grundsätzlich zu, aber wollen wir das wirklich um jeden Preis erreichen? Ich sage jetzt mal: Die derzeitige Krise der Demokratie hat sich nicht unbedingt durch übertrieben ehrliche Politik entwickelt, sondern dadurch, dass viele Menschen sich eben gerade von den demokratischen Parteien abwenden, weil sie der Politik Ehrlichkeit und Verlässlichkeit absprechen. Deshalb wird es für mich höchste Zeit, den Tricks Lebewohl zu sagen und damit hohe demokratische Verantwortung zu zeigen.

Und allen, die mir jetzt entgegnen wollen, dass die Eisenacher SPD gut reden kann, weil sie zur Zeit keinen Amtsinhaber stellt: Ich betrachte diese Zeilen durchaus auch als bindende Selbstverpflichtung für die Zukunft.

Eure Susanne Köhler