„Jogi“ lenkt letztmalig einen Eisenacher Stadtbus

„Jogi“ lenkt letztmalig einen Eisenacher Stadtbus
Jürgen Jansen geht in den beruflichen Ruhestand und wird sich weiter ehrenamtlich engagieren

In Hötzelsroda kennen ihn alle. Aber nicht nur dort. Jürgen Hansen, der Ortsbürgermeister des über eintausend jogiEinwohner großen Eisenacher Ortsteiles, der für „seinen“ Kindergarten stets nicht locker lässt, die Sanierung des Gebäudes mit dem ehemaligen Oberbürgermeister Matthias Doht durchboxte, das Mitglied der SPD-Stadtratsfraktion der Wartburgstadt, der engagierte Feuerwehrmann, der die Vereinstätigkeit besonders herausstreicht, der – wenn es um Arbeiten im Ort geht – stets selbst die Ärmel Hochkrempelnde, den fast alle nur Jogi rufen. Ihn kennen und schätzen die Eisenacher und viele Gäste der Stadt als umsichtigen und freundlichen Busfahrer. Nicht einfach, die Busse der KVG Eisenach durch die engen Straßen Eisenachs mit am Straßenrand parkenden Autos zu lenken. „Vor zwanzig Jahren hätte ich nicht geglaubt, einmal als Busfahrer zu arbeiten, die Verantwortung über das Leben vieler Menschen einschließlich Schulkinder zu übernehmen“, erinnert sich Jürgen Jansen, der in wenigen Tagen das 63. Lebensjahr vollendet. Er war fünfzehn Jahre im Werkzeugbau des Automobilwerkes Eisenach (AWE) tätig. Die lange AWE-Geschichte endete mit der Wiedervereinigung. Wie für tausende Arbeiter des AWE galt es auch für Jürgen Hansen, sich neu zu orientieren. Er arbeitete fünf Jahre als Handwerker im Diakonissenhaus. Danach baute er für eine Fulda ansässige Firma Fenster ein. Für die Möbelwelt im Einkaufszentrum Hötzelsroda schraubte er im Anschluss Schränke und Sitzgarnituren zusammen. Die KVG Eisenach suchte für den neuen Verkehrshof in Wutha-Farnroda einen Instandhaltungsmechaniker. Die neue berufliche Heimat von Jürgen Jansen war gefunden. „Im Alter von 50 Jahren habe ich den Busschein, die Personenbeförderungsberechtigung erworben, musste Vieles dazulernen. Ein großes Fahrzeug im städtischen Straßenverkehr und auf Autobahnen zu lenken, das gehörte dazu“, erinnert sich Jürgen Jansen. Aus dem Instandhaltungsmechaniker wurde nämlich ein Busfahrer, der sich auch für seine Arbeitskollegen im Betriebsrat engagierte.„Hochmotiviert, qualifiziert und engagiert“, lobte zwanzig Jahre der Geschäftsführer der KVG Eisenach Hans-Joachim Ziegler die Mitarbeiter des Unternehmens, die maßgeblich dazu beitrugen, dass die KVG Eisenach im ÖPNV des Freistaates eine Spitzenposition einnahm.
Jürgen Jansen ist zu seinen Abschiedstouren am Lenkrad der Stadtbusse aufgebrochen. Er geht in den beruflichen Ruhestand. „In der Vorwoche hatte ich noch einmal eine besonders schöne Tour, ich chauffierte zwei Hochzeitsgesellschaften in unserem Ikarus-Traditionsbus“, berichtet Jürgen Jansen. Eigentlich sollte am Freitag, 05.06.2013 die letzte Runde anstehen. Doch aufgrund von Urlaub und Krankheit herrscht Personalengpass. Jürgen Jansen klettert am Montag und Dienstag noch einmal hinter das Lenkrad von Linienbussen des Eisenacher Stadtverkehrs.

Der Fahrschein aus DDR-Zeiten
Kinder liegen Jürgen Jansen besonders am Herzen. Ihn schmerzt es ganz besonders, wenn in seinen Bus einsteigende Schulkinder berichten, dass sie, weil zuhause das Geld fehlt, mal wieder ohne Frühstück zur Schule müssen. Einem Mädchen, das aus diesem Grund wiederholt mit hungrigen Magen und traurigen Augen in den Bus stieg, hat Jürgen Jansen daher mehrfach ein oder zwei Euro aus seinem Portemonnaie gegeben, damit es sich etwas zu essen kaufen konnte. Aber auch lustige Begebenheiten weiß er zu berichten. „Fahren Sie über den Prinzenteich“, habe ihn ein Fahrgast gefragt. Schmunzelnd habe er geantwortet, nur wenn dieser gefroren sei. Eine aus dem Landkreis in den Stadtbus einsteigende ältere Frau berichtete, sie wolle ihre Nachbarin Isolde im Krankenhaus besuchen. Als Ticket hielt sie einen Fahrschein aus DDR-Zeiten hin, den sie in einer leeren Dose im Küchenschrank sicher verwahrt habe. Jürgen Jansen erklärte, dass dieser nicht gültig sei. Die ältere Frau erschrak, fühlte sich als „Schwarzfahrerin“. Jürgen Jansen löste die Situation; der Fahrschein sei schließlich bezahlt und unversehrt, beförderte die ältere Frau zum Krankenhaus. „Von solch einem freundlichen Busfahrer werde ich gleich Isolde berichten“, verabschiedete sich der dankbare Fahrgast an der Haltestelle des Krankenhauses.

Dank an die Kollegen für Verständnis
„Es war nicht einfach, die ehrenamtlichen Aufgaben als Ortsbürgermeister und Stadtratsmitglied mit den beruflichen zu vereinbaren, alles unter einen Hut zu bekommen, wenn man im Schichtdienst arbeitet. Um Sitzungstermine und Bürgersgespräche wahrnehmen zu können, brauchte ich das Verständnis und das Entgegenkommen meiner Kollegen. Besonderer Dank geht an unsere Einsatzleiter Rainer Oelschläger und Rene Biedermann, die beim Zuschnitt des Dienstplanes vieles möglich gemacht haben. Meine Kollegen konnte ich dadurch auch stets aktuell informieren, insbesondere natürlich über Angelegenheiten des ÖPNV, der KVG Eisenach“, erklärt Jürgen Jansen. Er dankt zugleich den vielen freundlichen Fahrgästen, „die die verantwortungsvolle Arbeit der Busfahrer mit einem freundlichen Wort würdigen“. „Für einen freundlichen Guten-Morgen-Gruß und noch einen schönen Tag bei Plus 40 Grad hinter dem Lenkrad habe ich mich stets gefreut, sind alle Busfahrer dankbar“, fügt Jürgen Jansen hinzu, wünscht allen seinen Kollegen eine unfallfreie Fahrt.
Er dreht am Dienstag, 09.07.2013 seine letzte Runde am Lenkrad eines Linienbusses des Eisenacher Stadtverkehrs. Zur Ruhe setzen wird sich der vitale und humorvolle Mann allerdings nicht. Da gibt es noch so viel zu tun, in Hötzelsroda, in der Feuerwehr, im Bauausschuss des Stadtrates – und auch der Familie soll die eine oder andere Stunde mehr gelten….!

Th. Levknecht